Optimierungschancen von Peacekeeping, Peacemaking und Peacebuilding

Barbara Müller und Christian Büttner

Optimierungschancen von Peacekeeping, Peacemaking und Peacebuilding durch gewaltfreie Interventionen?
Studie zur methodischen und systematischen Operationalisierung dieser Fragestellung


Arbeitspapier Nr. 4, Oktober 1996 (2. Auflage), 64 Seiten

Barbara Müller und Christian Büttner untersuchen in dieser Studie zehn Fälle gewaltfreier Intervention in gewaltförmige Konflikte. Ihr Ziel ist es, genauer angeben zu können, worin der spezifische Beitrag einer gewaltfreien Herangehens- und Vorge­hens­weise zu einer Deeskalation und Konflikttransformation bestehen kann.

Das erste Kapitel beschreibt das Konfliktverständnis der gewaltfreien Akteure, das eine originäre Herangehens- und Vorgehensweise im Konflikt zur Folge hat. Die drei grundlegenden Friedensstrategien des Peacekeeping, Peacemaking und Peacebuilding werden definiert, die Notwendigkeit ihrer Verschränkung begründet und die Methoden gewaltfreien Handelns zu ihnen in Beziehung gesetzt. Daraus ergibt sich u.a. die These, „dass durch die flexible Kombination gewaltfreier Methoden die drei Friedensstrategien wirksam zur Deeskalation beitragen und zur Konflikttransformation genutzt werden können.“ Eine Übersicht konflikttheoretischer Modelle von Eskalation und Deeskalation untermauert diese These. Sie bilden das Grundmuster des Gesamtprozesses ab, unter dem die AutorInnen - in Anlehnung an Lederach - die Transformation eines Konfliktes verstehen. In dieses Eskalations- und Deeskalationsmuster sind die Fälle einsortiert worden.

Auf der Grundlage des Galtung'schen Konfliktdreiecks und des Glasl'schen Stufenmodells entwickeln die Autoren eine ‚Konfliktpyramide’, um die deeskalierende Wirkung gewaltfreier Interventionen genauer fassen zu können. Darauf lässt sich die ‚Eskalationsspur’ eines konkreten Konfliktes abbilden und eine Prognose wagen, wann welche Interventionsmethoden für eine deeskalierende Konfliktbearbeitung notwendig und hilfreich erscheinen. Mit der Orientierung an dem Konzept von Fisher kann eine ‚Deeskalationsspur’ für die Hauptrichtung der Interventionen auf den einzelnen Interventionsstufen entwickelt werden. Der empirische Teil weist durch die Übertragung der Fallbeispiele auf dieses Modell nach, inwieweit die einzelnen Interventionen den jeweiligen Konflikt ganz oder in Teilbereichen (‚Segmenten’) deeskalierend beeinflussen. Für eine Einschätzung der Reichweite von gewaltfreien Interventionen ist es nach dieser Untersuchung wichtig, die Ebenen und gesellschaftlichen Segmente zu bestimmen, in denen die Intervention wirkt. Ein Versuch dazu wird im Weiteren ausgeführt und zur Diskussion gestellt.

Als wichtiges Ergebnis der empirischen Analyse ist festzustellen, dass gewaltfreie Interventionen nicht automatisch die Friedensstrategien kombinieren. Es gibt vielmehr aktionsbezogene Interventionen, die ihre Ziele durch die Durchführung einer zuvor beschlossenen Aktion erreichen wollen und dabei hauptsächlich Methoden nur einer Friedensstrategie anwenden. Demgegenüber gibt es prozessorientierte Interventionen, die primär auf die Konfliktdynamik einwirken wollen und dafür geeignete Methoden während des Projekts entwickeln. Dies ist meist eine Kombination von Methoden der drei Friedensstrategien. Projekte des letzteren Typus haben eine größere deeskalierende Wirkung im Konflikt entwickelt als die aktionsorientierten.

Der spezifische Unterschied gewaltfreier Interventionen von anderen Interventionsformen liegt in dem Verzicht auf die Anwendung von physischen Gewaltmitteln.  Statt physischem Zwang greifen hier Mittel des sozialen Kontaktes, die sowohl von feindseligem Verhalten abhalten als auch zu konstruktivem Verhalten ermutigen.  Die Hauptaufgabe der intervenierenden Akteure besteht darin, einen solchen Kontakt zu möglichst allen Konfliktparteien zunächst aufzubauen und danach mit kontinuierlichen, dem Eskalationsniveau angemessenen Impulsen den Deeskalationsprozess zu begleiten.

Bei der Prüfung weiterer Kriterien für eine erfolgreiche Intervention haben sich zwei als besonders wichtig für die behandelten Fälle gezeigt: Die eine ist die Kategorie des ‚Kostenbewusstseins’ bei den Konfliktparteien. Die andere ist die Unterscheidung der Konfliktakteure in die drei Ebenen, die Lederach entwickelt hat. Als weiter zu prüfende These lässt sich formulieren, dass die deeskalierende Wirkung einer Intervention um so größer ist, je stärker die Bereitschaft zur Veränderung bei den Konfliktparteien ausgeprägt ist (oder werden kann) und je mehr Ebenen der Konfliktakteure in den Prozess der Deeskalation aktiv einbezogen werden können.

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