Komplexe Interventionen in die Konflikte im ehemaligen Jugoslawien

Durchführende: Christine Schweitzer

Projektstatus: Abgeschlossen

 

Das Ziel des von der Deutschen Stiftung Friedensforschung geförderten Forschungsprojektes war die Erstellung einer Studie, die die Interventionen in die Konflikte im Raum des ehemaligen Jugoslawien erfasst, systematisiert und versucht, Erkenntnisse zum Verständnis komplexer Konfliktinterventionen durch staatliche und nicht-staatliche Akteure zu liefern.

Das ehemalige Jugoslawien war in den letzten zehn Jahren des 20. Jahrhunderts Schauplatz von wahrscheinlich einer größeren Zahl von Interventionen als jede andere Region seit dem 2. Weltkrieg. Fast alle denkbaren Ansätze und Strategien von Intervention (mit der Ausnahme einiger bestimmter zivilgesellschaftlicher Ansätze), und alle Akteure, die in dem Konzept der Multitrack Diplomacy identifiziert werden, können nachgewiesen werden.

Intervention wurde für den Zweck dieser Studie breit definiert als Aktivitäten in Zusammenhang mit einem Konflikt, die von Akteuren unternommen werden, die nicht vor Beginn der Eskalation des Konfliktes Konfliktpartei waren, oder die als Bürger/innen dieser Länder nicht direkt von dem Konflikt betroffen waren.

Die Übersicht über Interventionen identifizierte vierzehn Kategorien von Instrumenten: 1. diplomatische Instrumente, 2. Sanktionen, 3. militärische Mittel, 4. Internationale Polizeimissionen, 5. Entsendung zivilen Personals, 6. internationales Recht, 7. materielle Hilfe, 8. Empfang und Wiederansiedlung von Flüchtlingen und Vertriebenen, 9. wirtschaftliche Instrumente, 10. Durchführung von Projekten und Programmen, 11. Medienarbeit, 12. Forschung, 13. Übernahme von Exekutivgewalt, 14. Protest und Lobbyarbeit. Diese Liste weicht von den in der Literatur üblichen Übersichtn insofern ab, als dass sie sich auf die Instrumente als solche, nicht auf ihren Zweck  (z. B. ‚Demokratisierung’) konzentriert.

Auf der Basis dieser Aktivitätskategorien hat die Studie sich mit den drei ‘Friedensstrategien’ beschäftigt, wie sie von Johan Galtung und anderen definiert wurden: Friedensbewahrung, Friedensschaffung und Friedenskonsolidierung. Zusammen sollen diese drei eine allgemeine Theorie über die Bewahrung oder Wiederherstellung von Frieden darstellen: „Auseinanderhalten der Gegner, Aushandeln einer politischen Lösung, und schließlich Einbindung der Kontrahenten in etwas, was man Friedenssystem nennen könnte.“ (Galtung 1982:8) Es wurde gefragt, ob diese drei Strategien oder Ansätze tatsächlich alles beschreiben, das im Hinblick auf den Konflikt im ehemaligen Jugoslawien unternommen wurde. Prämisse dabei war, dass, wenn eine solche Zuordnung problemlos möglich wäre, daraus geschlossen werden könnte, dass sich dieses Modell nicht nur als präskriptives eignet (‚was getan werden sollte’), sondern auch als ein Modell, das bei der Analyse von Konfliktintervention von Nutzen sein kann. Tatsächlich konnten die meisten der Aktivitäten zugeordnet werden. Im Falle der Friedenskonsolidierung wurde vorgeschlagen, ‚den Opfern helfen’ als dritte Sub-Kategorien den anderen beiden, ‚Bearbeitung von Beziehungen’ und ‚Bearbeitung von strukturellen Ursachen’, hinzuzufügen. Jedoch ein Aktivitätstyp, der im Survey häufig auftrat, ließ sich nicht in den Rahmen dieser Strategien einordnen: Protest und Lobbyarbeit, wenn das Ziel dieser Aktivität eher die Beeinflussung anderer Interventen als der Konfliktparteien vor Ort war. Deshalb wurde vorgeschlagen, dies vorläufig als eine eigenständige Strategie anzusehen.

Ein weiteres Ergebnis der Studie war die Relativität des Konzeptes von externen oder Dritten Parteien. Es konnte gezeigt werden, dass in dem Moment, in dem ein Akteur ein Intervent wird, seine Distanz zu dem Konflikt sich automatisch verringert, und er zu einem Akteur im Konflikt wird. Dies ist nicht wirklich eine neue Erkenntnis – andere Autoren haben schon lange darauf hingewiesen – aber da das Konzept ‚Dritter Parteien’ in der Diskussion um Konfliktintervention immer noch eine sehr große Rolle spielt, schien es Wert zu sein, einen Blick auf die entstehenden komplexen Beziehungen zu werfen.

Die Interventionen der verschiedenen Akteure wurden alle durch irgendwelche impliziten oder expliziten Annahmen über den Character des Konfliktes geleitet. Doch es gab (und gibt) keine Übereinstimmung in der Konfliktanalyse, was dazu führte, dass manchmal Strategien verfolgt wurden, die den Bedürfnissen vor Ort wenig angemessen waren. Das gleiche Problem konnte hinsichtlich der Art und Weise beobachtet werden, wie Interventen ‚lernten’: Während eine generelle Lernbereitschaft durchaus vorhanden war, bedeutete das Lernen in der Praxis nur zu oft, dass das, was beim letzten Male funktioniert hatte, auf das nächste Mal angewendet wurden, aber ohne dass eine Analyse vorausgeschaltet wurde, warum bestimmte Ansätze funktionierten. Dies führte nur zu oft dazu, dass der Transfer misslang und zu zusätzlichen Problemen führte.

In Bezug auf Verhandlungen hat die Studie die Frage gestellt, ob die Annahme, dass der Eskalationsgrad eines Konfliktes eng verbunden ist mit dem Grad an Druck/Gewalt, die ein internationaler Vermittler vorgeblich einsetzen muss, um eine Vereinbarung zu erreichen, zutrifft. Mehrere Befunde scheinen ihr zu widersprechen.

Die Erfahrung des früheren Jugoslawiens illustriert außerdem die Gefahren, die damit einhergehen, dass internationale Vermittler zu früh oder mit zu viel Druck Friedenspläne vorlegen, besonders wenn diese territoriale Neuaufteilung von umkämpften Land beeinhalten.

Eine wichtige Beobachtung, die für den fast gesamten Zeitraum der Konflikte gemacht werden konnte, ist, dass die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft besonders leicht durch Gewalt erregt werden konnte. Zivile oder gewaltlose Formen der Konfliktauseinandersetzung tendierten hingegen übersehen oder die fraglichen Probleme als von sekundärer Bedeutung eingestuft zu werden.

 

Die Studie wurde mit der Erstellung einer Zusammenfassung für die Deutsche Stiftung Friedensforschung abgeschlossen. Eine Publikation eines Großteiles der Daten erfolgte im Rahmen des Nachfolgeprojektes Strategies of Non-violent civil intervention in  protracted violent conflicts.