Am 15. November trafen sich rund 30 Teilnehmende zum Online-Studientag des Instituts für Friedensarbeit und Gewaltfreie Konfliktaustragung (IFGK e.V.). Intensiv wurde über die Impulse der Referenten*innen gesprochen. Hier berichten Achim Schmitz und Christian Büttner von den Beiträgen.
Vermerken: Der nächste Studientag findet in Präsenz (und Online) am 7. März 2026 in Essen statt.

Gewaltfreiheit im Bild

Im ersten Vortrag beschäftigte sich Eliane Gerber (Aktivistin, Kommunikationsdesignerin und Designforscherin von der Hochschule der Künste in Bern) mit der Frage, wie Gewaltfreiheit in Bildern sichtbar gemacht wird. Sie referierte über ihre Begleitforschung zur Kampagne „Wehrhaft ohne Waffen“.
Ausgangspunkt sind Fotos und visuelle Materialien aus der aktivistischen Praxis. Anhand dieser Beispiele wird beforscht, wie Bilder im Protestkontext wirken, welche Formen visueller Überzeugungskraft sie nutzen – und wie sie Gewalt und Widerstand darstellen.
Gerber nutzt in ihrer Forschung Ansätze aus der visuellen Rhetorik. Design werde oft mit Marketing und Manipulation gleichgesetzt und damit in die Nähe von Gewalt gerückt. Auch wenn diese Kritik gerechtfertigt sei, so darf nicht vergessen werden, dass sich Designforschung auch mit den Fragen beschäftigt, wie Kommunikation und Verständigung überhaupt gelingen, wie Kommunikationsräume geschaffen werden können, oder wie Zuhören gestaltet werden kann.
Im Rahmen ihrer Feldforschung führte sie Interviews mit Aktiven der Kampagne „Wehrhaft ohne Waffen“ durch. Außerdem analysierte sie aktivistische Handbücher, z.B. der War Resisters’ International. Dabei konstatierte sie eine Überschneidung von aktivistischen Kommunikationszielen mit Kommunikationszielen aus dem Journalismus und Marketing. Es gebe aber auch für gewaltfreie Kampagnen spezifische Kommunikationsziele, wie etwa das Ziel der Ermächtigung von Adressaten.
Auch bei den Aktiven der Kampagne sah sie große sprachliche Kompetenz. Die Kampagne arbeite viel über Texte und weniger über Bilder. Gerade wenn junge Menschen angesprochen werden sollen, gehe es um einen verstärkten Aufbau von Bildkompetenz. Eine weitere Aufgabe könne darin bestehen, Lehrmittel und Videos zur Thematik zu erstellen.

Überlegungen zur Abschreckungswirkung der Sozialen Verteidigung

Christine Schweitzer, Mitarbeiterin im IFGK, zeigte in ihrem Vortrag, dass das Konzept der Sozialen Verteidigung (SV) bereits in der Zeit des Kalten Kriegs im Hinblick auf mögliche Abschreckungswirkung diskutiert wurde. Autoren wie Gene Sharp oder Theodor Ebert sahen in der SV ein Äquivalent zur militärischen Verteidigung und beschäftigten sich mit der potenziellen abschreckenden Wirkung des Konzepts.
Sie argumentierten, dass statt – wie in der militärischen Verteidigung – ein „hoher Eintrittspreis“ verlangt werde, bei der SV der Angreifer einen „hohen Aufenthaltspreis“ zahlen müsse. Daher erfordere die Soziale Verteidigung Vorbereitung und eine entsprechende Verteidigungsstruktur, die glaubwürdig wirke und Entschlossenheit signalisiere. Nicht nur der Nutzen einer Besetzung, sondern auch die Kosten für Kontrolle und Herrschaft würden die Intervention unattraktiv machen.
Die Forschung zeigt, dass die Annahme einer rationalen Kosten-Nutzen-Analyse durch den Angreifer fraglich ist. Sowohl militärische Abschreckung als auch gewaltfreie Abhaltung hängen von der Wahrnehmung und Motivation des Angreifers ab.
Obwohl Studien der letzten Jahre die Wirksamkeit gewaltfreien Widerstands belegen, stellen sich weitere Fragen an das Konzept der Sozialen Verteidigung:
– Haben autoritäre Staaten gelernt, mit Widerstand umzugehen und ihn zu brechen?
– Wie lässt sich die Bereitschaft der Bevölkerung zum Widerstand einschätzen? Arrangiert man sich mit der Situation und konzentriert sich auf das Überleben?
– Welche Auswirkungen hat die zunehmende – auch soziale – Spaltung der Gesellschaft?
Die Soziale Verteidigung bleibt die radikalste Form der Abrüstung. Sie bedrohe andere nicht. Deshalb ist es wichtig, das Konzept weiterzudenken und dabei Erfahrungen aus der Zivilen Konfliktbearbeitung sowie Ansätze gemeinsamer Sicherheit mitzudenken.
Christine Schweitzer stellte im Vortrag erste Überlegungen aus ihrer geplanten Veröffentlichung im Projekt „Soziale Verteidigung – heute“ vor.

Demonstrieren und was dann? Von der Demokratie zum Faschismus?

Im dritten Vortrag des Studientages beschäftigte sich Uli Wohland, Mitarbeiter im IFGK, wie in verschiedenen Phasen eine Demokratie zerstört wird und welche Handlungsmöglichkeiten bestehen, dies zu verhindern. Uli Wohland brachte in den Vortrag seine Erfahrungen aus seinem langjährigen Engagement in der Friedens- und Klimabewegung, aber auch aus den Bewegungen gegen Rechts ein.
Ähnlich wie bei der Sozialen Verteidigung gegen militärische Okkupationen schlug er vor, „Handbücher“ bzw. „Forschungspläne“ zu entwickeln. Deren Ergebnis könnten Handlungsanleitungen für die verschieden Akteure, wie NGOs oder Soziale Bewegungen sein, um diese Entwicklungen zu verhindern.
Im folgenden Teil des Vortrages stellte er vor, welche Phasen einer sterbenden Demokratie er identifizierte, wie das Fortschreiten der Zerstörungsentwicklung erkennbar wird und verschiedenen Phasen zugeordnet werden kann.
Im Anschluss präsentierte er Maßnahmen, die verschiedene Akteure in einer bedrohten Demokratie in einzelnen Phasen ergreifen könnten. Für Soziale Bewegungen schlug er beispielhaft vor, dass sie sich in Wahlkämpfe in gefährdeten Regionen einmischen oder den Schutz von gefährdeten Personen oder Politikern organisieren könnten. Der Staat, so Wohland, könnte konsequenter gegen verfassungsfeindliche oder extremistische Akteure vorgehen.
Im letzten Teil seines Vortrages beschäftigte er sich mit (z.T. gescheiterten) Taktiken und der Wahl der Strategie: Statt eines kopflosen Aktivismus sollte die Wahl der Strategie mit Hilfe drei Fragen gefunden werden: Wie ernst die Lage? Geht es darum Erreichtes zu verteidigen oder sollen offensiv neue Mehrheiten gewonnen werden? Zuletzt sollte die eigene Haltung überdacht werden: Was gilt es zu schützen bzw. wo muss Bestehendes transformiert werden um weitere Erosionsprozess zu verhindern?
Im Schlusswort appellierte er über das „Empört Euch“ hinaus sich zu aktivieren und zu organisieren.

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